Focus Jam C SL – All-Mountain Bike Test
Als uns Focus das Jam für einen ausführlichen Test zur Verfügung stellte, haderten wir zuerst, da wir als Vorgabe ein endurotaugliches Mountainbike angefragt hatten. Ok, das Bike hat eine exzellente, endurogerechte Ausstattung und 27,5 Zoll Laufräder aber eben nur 140 mm Federweg an Heck und Front (Ausnahme – die Ausstattungsvariante Jam C Factory mit 150 mm Gabel). Abweichend vom Serienbike war unser Bike mit den schwereren „Baron“ Reifen von Continental ausgestattet und kam fahrbereit mit leichten Platttformpedalen auf 12,8 Kilogramm; und das mit 30mm breiten DT Swiss XM1501 Laufrädern und Standardschläuchen. Optische Highlights sind die innenverlegten Züge im Rahmen sowie alle Komponenten einheitlich in Schwarz mit roten Applikationen. Bei den Komponenten gibt es in der „C SL“ Ausstattung keine Mogelteile, sondern sehr gut aufeinander abgestimmte High-End Parts. Angefangen bei der Rock Shox Pike RCT3 Gabel mit 140 mm, über die SRAM Guide Ultimate Bremsen mit 180er Scheiben, der neuen SRAM X01 Eagle Schaltgruppe, RockShox Reverb MMX Sattelstütze mit 125 mm Verstellbereich und den bereits erwähnten DT Swiss Enduro-Laufrädern. Vor allem an Carbon als leichtem und dennoch stabilem Werkstoff wurde nicht gegeizt mit Ausnahme der Laufräder. Aushängeschild des Jam ist das von Focus eigenentwickelte Hinterbausystem Focus Optimized Linkage Design – kurz F.O.L.D., wobei der Gesamtfederweg in zwei Phasen unterteilt wird. In der ersten Phase wirkt der Hinterbau degressiv, reagiert enorm sensibel und absorbiert so kleinste Stöße. Dies soll zu einer spürbaren Traktion sowie einem „plushem“ Ansprechverhalten sorgen. In der zweiten Phase geht F.O.L.D. über in eine fein abgestimmte Progression, um dem Fahrer genügend Feedback über die jeweilige Strecke erhalten und gleichzeitig entsprechende Reserven bereitzustellen. Für die Hinterbausteifigkeit sorgt das optimale Zusammenspiel von Mainlink und Guidelink. Zusätzlich kommt der aus dem Motorsport bekannten Chassis-Flex des Hinterbaus hinzu. Dadurch soll das Hinterrad vor allem bei Längsrillen stabil in der Spur und am Boden bleiben, ohne bei starken Antritten an Effizienz einzubüßen. Ein tiefer Schwerpunkt wird erreicht, indem Dämpfer, Linkagen und Lager möglichst tief und zentral über dem Tretlager angeordnet sind, wodurch ein dynamisches und agiles Handling ermöglicht werden soll. Ein weiterer Vorteil der zentralen Anordnung ist, dass alle Teile vor Schmutz geschützt werden. Die in sich geschlossene Hinterbauschwinge fällt sehr leicht aus und reduziert dadurch deutlich die ungefederte Masse am Heck (am Ende des Artikels findet Ihr das Info-Video von Focus).
Fahrbericht
Die ersten Meter durfte das Jam die Münchener Isar Trails unter die Stollen nehmen und punktete direkt mit einer sehr angenehmen Sitzposition, exzellentem Vortrieb und einem sehr agilen Handling. Auch bei den Sprüngen auf dem Trail überzeugte das Bike mit einer sehr ausgewogenen Flugphase und gibt damit sehr viel Sicherheit. Einzig das sehr tiefe Tretlager war gewöhnungsbedürftig, da die Kurbel bzw. das Pedal hin und wieder Bodenkontakt hatte und auch bei Baumüberfahrten das Kettenblatt schnell aufsetzte. Hat man erst einmal den Fahrstil daran angepasst, gab es aber kein Problem mehr. Der Trail ist eine gute Basis um das Focus-eigenentwickelte Fahrwerk zu testen, da er ständig über Wurzeln sowie auf und ab führt. Es ist also Vortrieb und sensibles Ansprechen des Hinterbaus gefragt und das erfüllt das Jam mit Bravur. Mit offenem Dämpfer schluckt das Bike sowohl kleine als auch große Hindernisse ohne dabei Energie an das Fahrwerk zu verlieren. Mit geschlossener Druckstufe hat man das Gefühl mit einem Hardtail unterwegs zu sein. Kurz – den ersten Test hat das Jam bestens erfüllt.
Die nächste Testausfahrt führte an den Tegernsee mit 500 Höhenmeter bergauf zum Berggasthof Neureuth. Der Uphill führte über eine breite Forststraße mit bis zu 15,6 Prozent Steigung bergauf, bei dem die Federung nicht gefragt war. Bei den steileren Steigungen glänzte das Bike mit angenehmer Sitzposition und einem am Boden haftendem Vorderrad. Der Downhill führte über ausgesetzte Wege, viele Wurzeln und Stufen sowie etliche Spitzkehren, bei denen zum Teil auch umsetzen angesagt war. Auch hier überzeugte der F.O.L.D. Hinterbau mit sehr sensiblem Ansprechen bei gleichzeitig nötiger Progression für die gröberen Schläge. Die Pike Federgabel kam bei den Stufen an ihre Grenze und wir hatten mehrere Durchschläge. Dieses Problem konnten wir beseitigen, indem wir die Luftkammergröße durch einen weiteren Token verkleinerten und dadurch mehr Progression am Ende des Federwegs erreichten. Dadurch hatten wir bei den weiteren Ausfahrten keine Durchschläge mehr.
Nächste Station waren die Trails im Vinschgau und im Bikepark Chur, wo wir das Jam viele Tiefenmeter bergab getestet haben. Mit der umgerüsteten Gabel überzeugt das Bike nun vollends und kann auch mit reinen Endurobikes mithalten. Das Bike spricht super sensibel an und liefert auch in grobem Geläuf und Sprüngen ausreichende Reserven. Auch die Bremsen mit 180mm vorn und hinten waren bei einem Fahrergewicht von 75 Kilogramm und 1000 Tiefenmetern am Stück ausreichend standfest.
Tuning
Bei den Tuningtipps können wir für das Jam wenig Verbesserungsratschläge geben, da die Ausstattung überzeugt. So bleiben uns als Empfehlung einzig ein Tausch der Griffe und des Sattels auf die individuellen Gegebenheiten. Die Reifen könnten auf ein Tubeless-System umgerüstet werden oder man tauscht bei überwiegendem Enduroeinsatz die Reifen wie an unserem Testbike auf die Continental Baron um, damit man noch mehr Grip bekommt. Und zu guter letzt raten wir bei einem Fahrergewicht über 80 Kilogramm zu einer 200mm Scheibe an der Front. Und wie weiter oben im Fahrbericht aufgeführt, sollte generell die Luftkammergröße durch Tokens an das Fahrergewicht und den Fahrstil angepasst werden.
Fazit:
Das Focus Jam vereint die Vorzüge eines All-Mountain- mit denen eines Enduro Bikes. Durch den exzellenten F.O.L.D. Hinterbau spricht es super sensibel an, bietet Vortrieb ohne Ende und bietet auch in grobem Gelände ausreichend Progression und Reserven. Die Komponenten lassen keine Wünsche offen, was in Anbetracht des Preises von 6999,- EUR selbstverständlich sein sollte. Kurz wer über entsprechende finanzielle Mittel verfügt, für den ist das Jam C SL eine klare Kaufempfehlung.