Voll im Trend – Neuroathletik 2026
Neuroathletik-Training wird immer mehr zum Gamechanger
Die Neuroathletik ist längst kein unbekanntes Feld mehr, aber jenseits des Leistungssports können sich viele Menschen noch nichts Konkreteres darunter vorstellen. Deshalb haben wir jetzt den Pionier der Neuroathletik Lars Lienhard in München besucht, sind ein Stück weit in die Welt der Neuroathletik eingetaucht und haben einen Selbstversuch gewagt.
Hier ein erster Erfahrungsbericht zum Einstieg in das Neuroathletik-Training.
Bevor es mit dem Neuroathletik-Training losgeht, holen wir uns vom Neuroathletik-Experten höchstpersönlich erstmal eine grundsätzliche Definition von Neuroathletik ein und fragen ihn, wie er selbst dieses Themengebiet beschreiben würde.
Was wird bei der Neuroathletik genau gemacht?
„Vereinfacht gesagt habe ich mich darauf spezialisiert, wie das Gehirn den Körper und die Bewegung steuert. Man könnte auch sagen in der Neuroathletik schauen wir auf die Software, die sich im Hintergrund jeder Bewegung abspielt. Wir fragen also weniger, was muss der Körper können, um den Sport optimal auszuüben, sondern vielmehr, welche Informationen braucht das Gehirn, um optimale Bewegungsprogramme für die jeweiligen Situationen zu erstellen“, so Lars Lienhard. Und welche Informationen sind das konkret?
„Das sind beispielsweise Informationen über den Raum, die Bewegung und die physiologischen Prozesse unseres Körpers. Diese Informationen werden über Sinnesorgane, wie das Auge, das Gleichgewichtsorgan oder über Gelenks-, Haut- oder Muskelrezeptoren an das Gehirn weitergeleitet und dort integriert. Diese Informationen dienen als Grundlage für die gesamte Bewegungssteuerung. Die Qualität der Sinnesinformation und die Aktivität der Gehirnareale, die diese Informationen verarbeiten, sind die Basis, um Stabilität, Kraft, Bewegungsweite, Schnelligkeit oder Ausdauer zu optimieren“, so Lienhard weiter.
„Unser Fokus liegt darauf, wie das Gehirn den Körper und die Bewegung steuert.“
Nach dieser ersten Definition von Neuroathletik wollen wir beim neurozentrierten Training auch selbst dabei sein und einige Übungen mitmachen. Wie sehen diese Übungen aus?
In der Neuroathletik gibt es grundsätzlich verschiedene Trainingsformen, um dem Gehirn mehr Sicherheit zu geben und damit auch den Bewegungen, die wir alle ausführen. Das Gleichgewichtssystem reguliert die Bewegung, egal was passiert, gegen die Schwerkraft und ist somit hauptverantwortlich für die Haltungsregulation während einer Bewegung.
Dem Gehirn durch Übungen mehr Sicherheit geben
Eine andere wichtige Aufgabe des Gleichgewichts ist es beispielsweise, den Blick während einer Beschleunigung zu stabilisieren. Und wenn das Gleichgewichtssystem auf der rechten Seite nicht stimmt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Bewegung nach rechts, nie richtig stabil ist und der Athlet hier auch keine optimalen visuellen Informationen bekommt. Die Lösung kommt hier durch eine weitere Trainingsform, die dem Gehirn mehr Sicherheit gibt. Konkret wird ein klares visuelles Bild gezeigt, wir versuchen es visuell zu fixieren und uns damit in die Richtung zu bewegen in der das Gleichgewicht nicht optimal funktioniert.
Wir sind gespannt, wie schnell sich Optimierungen feststellen lassen. Wir erfahren, dass das tatsächlich individuell sehr unterschiedlich sein kann und manchmal auch sehr schnell geht. Denn: Grundsätzlich ist das Nervensystem das am schnellsten operierende System des Organismus und es zeigen sich daher auch schnell Veränderungen. Der Übertrag in die Nachhaltigkeit hängt dann von vielen Komponenten ab und kann meist nicht mit einem klaren Zeitraum umgrenzt werden. Im Allgemeinen geht es deutlich schneller als man glaubt.
Jetzt sind wir neugierig geworden und wollen weitere Übungen mitmachen. Die nächste scheint beim Intro und im ersten Moment ganz einfach zu sein, stellt sich dann aber doch überraschenderweise als Herausforderung dar.
Software Tuning – Neurozentrierte Übungen im Praxistest
Man ist zu zweit, beide stehen sich gegenüber wie im Gespräch auf der Straße, der eine hat die Augen geschlossen und der andere tippt mit dem Zeigefinger auf eine jeweils unterschiedliche Stelle des Armes jeweils einer Seite. Die Person mit den geschlossenen Augen muss mit dem Finger der jeweils anderen Seite versuchen, genau auf die Stelle zu deuten, wo die Berührung stattfand. Nach einiger Zeit werden die Seiten gewechselt.
Was also wie eine sehr leichte Übung aussieht, stellt sich dann als echte Herausforderung dar (siehe Foto). Schnell wird klar, dass die Performance auf den jeweils unterschiedlichen Seiten stark variiert.
In der Neuroathletik wird oft mit Körperbereichen gearbeitet, wo die meisten Rezeptoren sitzen, also zum Beispiel in den Bereichen der Haut, der Hände, der Zunge und der Augen. Dazu Lars Lienhard: „Das kann dann für Außenstehende manchmal auch skurril wirken, bspw. beim Schielen oder bei Übungen mit der Augenklappe, weil es ja auch eine bestimmte, tradierte Vorstellung gibt, wie Training auszusehen hat. Aber genau auch auf diesen unkonventionell erscheinenden Wegen erreichen wir in der Neuroathletik unsere Ziele.“

Neuroathletik hilft auch bei der Belastungsteuerung
Im Sport wird immer viel von Belastungsteuerung gesprochen. Wir wollen wissen, ob Neuroathletik auch hier erfolgreich eingesetzt werden kann. „Ja gerade bei Regenerationsprozessen können wir hier helfen, das läuft über das parasympathische System. Das ist wichtig, damit u.a. Regenerationsprozesse schnell anschlagen. Wenn wir also wissen, dass wir eine kontinuierliche hohe Belastung haben, muss man die Regenerationsfähigkeit über das Aktivieren des Parasympathikus und den zugehörigen Netzwerken pushen. Das kann man zum Beispiel über Atemtraining machen. Und um die Netzwerke, die an der Regenerationsregulierung beteiligt sind, zu durchbluten, können wir neben der Atmung auch den Geruch, den Geschmack oder über verschiedene andere Methoden den Vagusnerv, der wichtigste Nerv für Entspannung und Regeneration stimulieren. Das aktiviert parasympathische Kerngebiete, die eine Regeneration wesentlich schneller machen können.“
Neuroathletik bietet noch viel Potential und kann ein Gamechanger sein
Neuroathletik hat ein großes Potential, davon ist auch Lars Lienhard überzeugt.
„Die neurozentrierte Sichtweise auf Leistungsverbesserung, Therapie und Prävention ist noch ein recht junges Gebiet, insbesondere in Sachen Forschung und Wissenschaft. Gefühlt bekommen wir fast täglich neue Informationen über Zusammenhänge in der Kommunikation zwischen Gehirn und Körper oder den funktionellen Verbindungen innerhalb des Gehirns. Das macht dieses Gebiet so spannend.“ Und wird die weitere Entwicklung aussehen? „Ich glaube, in zehn Jahren wird Neuroathletik genau wie Athletiktraining einfach ein fester Bestandteil sein in der Belastungs- und Regenerationssteuerung von individuellen Athleten. Wenn ich alles nur anatomisch, biomechanisch, leistungsphysiologisch betrachte, habe ich ganz klare Grenzen. Durch Neuroathletik haben wir so viel mehr Möglichkeiten, individuelle Zugänge an das Problem zu bekommen. Neuroathletik kann für viele ein Gamechanger sein.“
Bereits nach den ersten Stunden beim Neuroathletik Training wird klar, dass wir hier erst an der groben Oberfläche eines sehr spannenden und interessanten Gebietes gekratzt haben, in das es sich definitiv lohnt tiefer einzusteigen. Es wird klar, dass die Hardware nur mit der richtigen Software funktionieren kann und auf ein optimales Niveau angehoben werden kann. Die Erfolge, die hier durch regelmäßiges Training im Leistungssport, aber auch bei der Prävention erreicht werden können, sind evident. In der kalten Jahreszeit wird sich jetzt erstmal weiter in das Thema eingelesen. Vielen Dank für die erste Einführung in dieses spannende Thema an Lars Lienhard und sein NAT-Team.
Zur Person Lars Lienhard
Lars Lienhard, geboren 1971 ist Sportwissenschaftler und seit 2010 auf den Zusammenhang zwischen Bewegung und Gehirn spezialisiert. Sein Themengebiet ist Neuroathletiktraining, einen Begriff den er selbst kreiert hat. Der frühere Leichtathlet aus Bonn gehörte bei der Fußball-WM 2014 in Brasilien zum Betreuerstab der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft und wurde 2016 vom Deutschen Leichtathletik-Verband für die Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro engagiert. Seit Jahren arbeitet er mit Spitzenathletinnen und -athleten aus unterschiedlichen Sportarten zusammen.
Wer selbst tiefer in das Thema Neuroathletik und Neuroathletik-Training eintauchen möchte, bekommt auf diesen Webseiten weitere Informationen:







